Gewissensfrage: Ist Reisen überhaupt nachhaltig machbar?
Fürs Reisen verbraucht man Ressourcen, das ist unbestritten. Und eigentlich ist es nicht lebensnotwendig, sondern ein liebgewonnener Luxus – auch das ist unbestritten. Es ist also durchaus nachvollziehbar, dass viele passionierte Urlauber das Reisen zunehmend kritisch hinterfragen. Was jedoch auch Fakt ist: Ob Pauschalurlaub oder Aktivurlaub mit Wanderreise – Tourismus stellt in vielen Regionen einen entscheidenden Wirtschaftsfaktor dar. Würde man aufs Reisen verzichten, so wären viele Anbieter vor Ort ihrer Lebensgrundlage beraubt – vom Tourguide über die Betreiber gastronomischer Einrichtungen oder touristischer Unterkünfte bis hin zu Taxifahrern, Bootsverleih, Bergführern und so weiter.
Die Herausforderung für nachhaltiges Reisen besteht also darin, die richtige Balance zu finden, um sich den geliebten Luxus eines Urlaubs zu gönnen und dadurch die Basis für die lokale Tourismuswirtschaft zu schaffen – ohne Nachteile für die Umwelt sowie soziale Systeme zu verursachen.
Ziele der Wanderreise mit Blick auf Nachhaltigkeit auswählen
Nachhaltigkeit kann man beim Wandern schon mit der Auswahl seines Ziels beweisen. Je näher das Wanderziel zum eigenen Zuhause liegt, desto ressourcenschonender ist die Anreise. Deshalb muss nicht jeder Wanderurlaub in die weite Ferne führen. Auch nahe gelegene Urlaubsregionen wie beispielsweise die Alpen in Österreich, der Harz, der Schwarzwald oder der Bayerische Wald haben reizvolle Wandertouren zu bieten und sind auch ohne umweltbelastende Flugreisen zu erreichen. Und selbst an weiter entfernte Reiseziele kann man mit der richtigen Strategie auf nachhaltige Weise gelangen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Dauer des Aufenthaltes! Gemäß den far Kriterienkatalog sollte ein Flugziel von über 3800 km Entfernung einen Mindestaufenthalt von 2 Wochen umfassen.
Umweltschonende Transportmittel wählen
Reisen bedeutet unterwegs sein. Und jede Art von Transport hat nachteilige Auswirkungen auf Umwelt- und Sozialsysteme: Energieträger werden verbraucht, Emissionen werden verursacht, Landschaften werden „zertrampelt“ und es entsteht Abgasbelastung sowie Lärmbelästigung für die direkte Umgebung. Ob man mit dem Auto, der Bahn oder dem Flugzeug anreist: Alle Arten des maschinellen Transports sind von diesen Nachteilen betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Sogar, wer per Rad oder zu Fuß unterwegs ist, belastet die Umgebung, indem er Wege und Straßen abnutzt. Um die Belastung bei der eigenen Anreise sowie beim Transfer während des Urlaubs so gering wie möglich zu halten, gibt es jedoch einige gute Strategien.
Mitfahrgelegenheit oder Bahn- statt Flugreise
Flugreisen sind die Transportmöglichkeit mit den umweltschädlichsten Auswirkungen. Das trifft ganz besonders für Kurzstreckenflüge zu. Beim Bahnfahren im Fernverkehr entstehen im Schnitt ca. 36 g CO2-Emissionen pro Kilometer und Person, während dieser Wert bei Flugreisen bei ca. 200 g liegt. Um nachhaltig zu reisen, ist es deshalb naheliegend, bei allen Kurzstrecken vom Flugzeug auf die Bahn umzusatteln. Auch ins umliegende Ausland sind Bahnverbindungen problemlos verfügbar.
Eine Strategie für Wanderreisen in Deutschland ist es, Mitfahrgelegenheiten zu nutzen. Denn wenn Autos voll beladen unterwegs sind, schont das nicht nur die Umwelt – sondern sorgt auch durch weniger Fahrzeuge für geringere Staugefahren. Da Wanderreisen auch bei Gruppen sehr beliebt sind, empfiehlt es sich, Fahrgemeinschaften zu bilden, statt jeder einzeln mit dem eigenen PKW anzureisen.
Nachhaltig unterwegs vor Ort
Auch vor Ort während der Reise ist man an vielen Punkten auf Verkehrsmittel angewiesen, um von A nach B zu kommen. Dabei empfiehlt es sich, auf Öffentlichen Nahverkehr wie Busse oder S-Bahnen oder auf Carsharing zu setzen, statt ein eigenes Mietauto zu buchen. In vielen Urlaubsregionen ist zudem das Ausleihen von Fahrrädern eine gute Alternative. Denn dadurch kommt man über geringere Distanzen bis ca. 15 km rund um den Urlaubsort gut voran – und lernt die Gegend auch gleich besonders intensiv kennen.
CO2-Kompensation beim Reisen
Für Transportmittel, die nicht gerade durch Nachhaltigkeit bestechen, haben Reisende inzwischen häufig die Möglichkeit, eine sogenannte CO2-Kompensation zu nutzen. Das bedeutet, man zahlt einen gewissen Aufpreis, um die durch die eigene Flugreise entstehenden Emissionen auszugleichen – und dieses Geld steckt der Anbieter in Umweltschutz-Projekte. Das können zum Beispiel Wiederaufforstungs-Projekte in Regenwäldern sein. Aus unserer Sicht als professioneller Reiseveranstalter stellt die Kompensation des eigenen CO2-Verbrauchs eine Hilfslösung dar: Auch wenn die Art des Reisens selbst nicht nachhaltig ist, kann man damit zumindest einen Beitrag leisten, um den eigenen CO2-Fußabdruck zu neutralisieren. Das hilft, das eigene Gewissen ein Stück weit zu beruhigen – ändert allerdings nichts an den eigentlichen Umweltschäden, die mandurch die Flug-Emissionen zwangsläufig verursacht.
Wo kann man kompensieren? – „Atmosfair“ und auch „myclimate“ sind u. a. Ansprechpartner für eine vorbildliche Kompensation.
Für die Planung einer Wandertour bedeutet die Priorisierung nachhaltiger beziehungsweise umweltschonender Transportmittel wie Bahn oder Bus etwas mehr Aufwand. Denn man muss sich einerseits mit Fahrplänen und Abfahrtszeiten beschäftigen – und andererseits verschiedene Transportmittel miteinander kombinieren, um ans Ziel zu kommen. Und natürlich ist die Anreise zu einem Wanderurlaub mit der Bahn in den meisten Fällen etwas zeitaufwändiger als ein Flug. Allerdings kann diese Art des entschleunigten Reisens auch sehr reizvoll sein: Statt hektischer Eincheck-Vorgänge am Flughafen inmitten dicht gedrängter Urlaubermassen startet man mit der Bahn ganz relaxt in einen Aktivurlaub – und sammelt bei der Fahrt durch malerische Landschaften schon die ersten Reise-Impressionen.
Nachhaltigkeit als Aspekt bei der Wahl der Unterkünfte beim Wandern
Auch bei der Auswahl der Unterkünfte beim Wandern kann man Nachhaltigkeit beweisen. Statt großer Hotelkomplexe, die im Auftrag multinationaler Konzerne arbeiten, wählt man kleine lokale Pensionen oder Hostels. Oder man verknüpft gleich den Aspekt Abenteuer und Outdoor-Erfahrung mit den Übernachtungen, um möglichst nachhaltig zu reisen – und setzt wo möglich - auf Wanderhütten. Je nach gewählter Urlaubsregion stehen für Wanderreisen oftmals auch gar keine anderen Möglichkeiten für das Übernachten an abgelegenen Wanderrouten zur Verfügung. Je weniger Strom- und Heizenergie man beim Reisen verbraucht, desto nachhaltiger lässt sich der Urlaub gestalten.
Nachhaltig produzierte Wanderkleidung bevorzugen
Auch bei der Kleidung für eine Reise kann man nachhaltig denken. Wer sich besonders umweltfreundlich anziehen möchte, sollte Bekleidung aus Naturmaterialien wie Baumwolle bevorzugen. Allerdings sind speziell bei Wanderreisen häufig leistungsfähige Funktionstextilen gefragt, um im Aktivurlaub möglichst komfortabel unterwegs zu sein. Beim Einkauf entsprechender Funktionsbekleidung sollte man auf Fair Trade und Nachhaltigkeit achten. So gibt es zum Beispiel das bluesign®-Label, an dem sich Textilprodukte erkennen lassen, bei deren Produktion auf geringstmögliche Umweltbelastung und Schadstoffbelastung geachtet wird. Weitere hilfreiche Label sind das OEKO-TEX-Label, die Naturtextil-GOTS Zertifizierung, die für eine nachhaltige Produktion und Lieferkette steht, das Logo der Fair Wear Foundation sowie der Grüne Knopf, der nachhaltig hergestellte Bekleidung zertifiziert. Ebenfalls positiv sind Funktionsbekleidungen mit dem „PFC frei“-Logo, weil deren Imprägnierungen kein umweltschädliches PFC enthalten, sowie PVC-frei produzierte Outdoor-Kleidung. Wer ressourcenschonend produzierte Bekleidung für seine Reise sucht, kann zudem auf das Recycling-Label achten, das für Kleidungsstücke verliehen wird, die aus wiederverwerteten Materialien bestehen. Und bei Naturmaterialien empfiehlt sich der Responsible Wool Standard für ethisch korrekt produzierte Wolle sowie das Bio-Baumwolle-Siegel.
Nachhaltigkeit während einer Wanderreise
Nicht nur das Reiseziel, die Transportmittel für die Anreise und die Unterkunft kann man bei einer Wanderreise unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit auswählen. Auch beim Aktivurlaub vor Ort lässt sich Nachhaltigkeit an vielen Stellen ins eigene Verhalten integrieren. So ist es zum Beispiel nachhaltiger, lokale Geschäfte, Dienstleister und Gastronomie vor Ort zu unterstützen.
Das Schöne daran: Man unterstützt durch die Bevorzugung lokaler Anbieter nicht nur die Wirtschaft vor Ort, sondern lernt in vielen Fällen auch die Einheimischen näher kennen. Schließlich sollte bei einer Wanderreise in fremde Regionen auch der authentische Kontakt zu den Menschen vor Ort nicht zu kurz kommen. Die Einheimischen haben nicht nur jede Menge Insider-Tipps für besondere Attraktionen oder Wanderrouten, sondern bereichern einen solchen Urlaub auch um ganz persönliche Impressionen und Erinnerungen.
Müll vermeiden und aktiv beseitigen als Beitrag zur Nachhaltigkeit
Ein großer Faktor in Sachen Umweltbelastung ist Müll – und den produzieren Touristen auf Reisen reichlich. Wer nachhaltig unterwegs sein möchte, sollte sich deshalb ganz bewusst dem Thema Müllvermeidung sowie -beseitigung widmen. Zum einen sollte man auch beim Reisen darauf achten, Dinge möglichst nicht in Einweg-Verpackungen zu verpacken. Ob es die Brotzeit für unterwegs ist, die statt in Alu-Folie oder Frischhaltefolie in eine wiederverwendbare Brotdose gepackt wird, oder der Einkauf unverpackter Produkte auf dem Wochenmarkt: Durch die bewusste Verpackungs-Wahl kann man einiges tun, um die eigene Wanderreise möglichst nachhaltig zu machen.
Dass man als Wanderer den unterwegs entstehenden Müll mitnimmt und in der Unterkunft fachgerecht entsorgt, versteht sich von selbst. Zu diesem Zweck sollte man immer eine kleine Mülltüte dabei haben. Wer besonders nachhaltig reisen möchte, kann sogar noch einen Schritt weiter gehen – und während der Wanderung den Müll anderer einsammeln. Einfach eine Tüte an den Rucksack hängen, und schon kann man einen ganz persönlichen Beitrag zum Umweltschutz vor Ort leisten. Unter dem Titel „CleanUp“ finden zudem in vielen touristisch geprägten Regionen regelmäßig Müllsammel-Aktionen statt, beispielsweise, um Strände von Müll zu befreien. Als Urlauber kann man sich natürlich auch an solchen Aktionen beteiligen.
Flaschenwasser ist tabu bei nachhaltigem Reisen
Eine der größten Umweltsünden in der modernen Wohlstandsgesellschaft sind die Produktion, der Transport und Verkauf sowie die Nutzung von Wasser in Flaschen. Denn in den meisten Industrienationen ist das Leitungswasser qualitativ so hochwertig, dass es bedenkenlos als Trinkwasser genutzt werden kann. Wer nachhaltig wandern möchte, sollte seine Trinkflasche für unterwegs also nicht im Supermarkt kaufen – sondern auf wiederverwendbare Flaschen aus BPA-freiem Kunststoff oder Edelstahl setzen, die mit Leitungswasser befüllt werden. Unterwegs finden Wanderer häufig Quellen zum Nachfüllen ihrer Trinkflaschen – beispielsweise klare Bergbäche, Trinkwasserbrunnen oder aber auch Restaurants und Geschäfte, die das nachhaltige Wandern unterstützen und oftmals das kostenlose Auffüllen der Trinkflaschen mit Leitungswasser anbieten.