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Erlebnisbericht: Pilgern auf dem Camino Francés - von Ruth R.

Camino Frances Jakobsweg

Wieso will man freiwillig wochenlang und nur mit einem Rucksack bepackt durch Spanien laufen? Es ist schwierig einem „Nicht-Pilger“ den Zauber dieses Weges zu vermitteln, der jedes Jahr so viele Menschen anzieht. Für mich waren und sind es drei Gründe:

Man ist absolut frei vom Alltagsstress. Nur Laufen, Essen und Schlafen zählt. Diese Reduzierung auf das Wesentliche lässt Körper, Geist und Seele zur Ruhe kommen.

Es gibt kaum einen besseren Weg, um durch diese Ruhe zu sich selbst zu finden, da man seine Grenzen und Bedürfnisse wieder kennen- und beachten lernt.

Man erhält unzählige wundervolle Eindrücke von Landschaften und Menschen aus aller Welt und nicht selten entwickeln sich dauerhafte Freundschaften.

Ich fand zum Jakobsweg Camino Frances (oder eher: der Weg fand mich), indem ich einen historischen Roman las, in welchem die Hauptfigur sich auf dem Jakobsweg bewähren musste. Ich wusste nicht warum, aber von da an begann die Idee des Jakobsweges in mir zu arbeiten. Schon ein paar Wochen später waren die Tickets gebucht, der Urlaub eingereicht, die Ausrüstung komplett und ich unglaublich nervös. Kann ich das wirklich?

In der ersten Woche zeigte sich der Weg schon in seiner ganzen Vielfalt. Die grasbewachsenen Berge der Pyrenäen, die beeindruckenden Wildvögel und Wildpferde, die umwerfenden Aussichten und die absolute Ruhe zaubern auch in der größten Anstrengung noch ein Lächeln auf mein Gesicht. Die 1200 Höhenmeter, die es direkt in den ersten beiden Tagen zu bewältigen gilt, bringen mich als Wanderneuling mehrmals an meine Grenzen und darüber hinaus. Aber selbst für unsportliche, übergewichtige Menschen wie mich war es machbar! Das Geheimnis ist, es langsam angehen zu lassen und nicht aus falschem Ehrgeiz auf Pausen zu verzichten. Und das Gefühl, „oben“ zu sein und es selbst geschafft zu haben ist eine unbezahlbare Belohnung für die Mühen.

Auch die weiteren Etappen auf dem Camino Frances waren für mich zwar herausfordernd, aber jeden einzelnen Schritt wert. Die Landschaft änderte sich von Woche zu Woche, manchmal sogar von Tag zu Tag. Die rostroten Felsen, Flüsse, Weinberge und Storchennester in der Rioja-Region verstärkten das Gefühl, in einer völlig anderen Welt zu sein. Der Körper gewöhnte sich an die Bewegung, der Kopf wurde langsam frei und ich genoss mehr und mehr das Gefühl, jeden Tag in der Natur zu sein. Die unendlich weite Hochebene der Meseta spiegelte ein Gefühl von Weite und Offenheit in mir selbst. Als würden Körper und Seele sich den äußeren Umständen anpassen. Der Stress des Alltags, die Unzufriedenheit – all das schien in weite Ferne gerückt zu sein.

Die ersten Pilgerfreundschaften hatten sich inzwischen gefestigt und ich lernte, dass ein gutes Gespräch der beste Motor sein konnte. Abends fühlte ich mich rechtschaffen müde und ich wurde dankbar für die kleinen Dinge im Leben wie eine Tasse Kaffee, das wohlverdiente Bier in der Abendsonne mit Freunden aus aller Welt oder auch nur die heiß ersehnte Dusche. Das Leben kann wirklich so einfach sein!

Die grüne und fruchtbare Region Galizien mit ihren mystischen keltischen Wurzeln verlieh den letzten Etappen vor Santiago noch eine ganz besondere Atmosphäre. Auch wenn ich wenig spirituell oder religiös veranlagt war, spürte ich doch, dass der Weg mich verändert hatte. Ich war ruhiger, gelassener und zufriedener mit mir und der Welt geworden. Die letzten Schritte durch die Altstadt in Santiago begleitet von keltischer Musik der Straßenkünstler wirkten wie die letzten Minuten eines großartigen Films. Kein Tourist wird wohl jemals wirklich das Lächeln auf dem Gesicht der Pilger verstehen, die das erste Mal vor der Kathedrale stehen.
Dass allein das tägliche Wandern in der Natur und die Zugehörigkeit zu einer Art Pilgerfamilie derart viel in einem bewirken kann, ist für mich das große Wunder an diesem Pilgerweg.

Ruth R.

Santiago de Compostela, Camino Frances
Santiago de Compostela, Camino Francés - ©Tobias Büscher/fotolia.com
 

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