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Pilgern auf der Via Francigena Erlebnisbericht: von Pisa nach Rom von Alexander Bürger

Wandern auf der Via Francigena - Nach vier Monaten war ich wieder auf der Via Francigena. Ich flog über London nach Pisa, sicherlich nicht ökologisch, aber preisgünstig. Ein sehr symbolträchtiger Umweg: London liegt unweit von Canterbury! Leider hatte ich nicht die Zeit, die Kathedrale von Canterbury zu besuchen.

20. Oktober 2009 – Lucca
Über London nach Pisa!

Von Pisa fuhr ich mit dem Zug nach Lucca. Es war noch angenehm warm und ich begann mit der Stadtbesichtigung. Übernachtet habe ich im Ostello. Mit mir im Zimmer war ein Australier, der sich sehr für meine Fußpilgerreise interessierte. Wer Menschen aus aller Welt kennenlernen will, ist wohl nirgends besser aufgehoben, als auf den Pilgerwegen Europas. Hier trifft sich alle Welt und jede soziale Schicht, Menschen die im normalen Leben nie aufeinandertreffen würden.

Als ich vor vier Monaten Italien verlassen hatte, war es Sommer. Ende Oktober waren die Abende schon ein wenig kalt. Nach dem Abendessen ordnete ich meine Sachen um am nächsten Tag frühzeitig meine Pilgerschaft in die Ewige Stadt fortsetzen zu können.

Via Francigena

21. Oktober 2009 – Altopascio
Nur Regen und alleine in der Herberge

Nun konnte es wieder losgehen. Kaum hatte ich Lucca verlassen, setzte auch schon sehr starker Regen ein. So musste ich meine Reise gleich nach ein paar Kilometern unterbrechen. Am Stadtrand stellte ich mich bei einem Supermarkt unter, doch der Regen wurde nicht weniger. Nach einer Stunde habe ich beschlossen, dem Regen zu trotzen. Schließlich gibt es kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Diesen Spruch hat mir eine Norwegerin einmal gesagt. Sie stammte von den Lofoten, wo man Regen vermutlich gewohnt ist. Wandern auf der Via Francigena!

Meine erst Pause machte ich am Portal der Klosterkirche San Michele.

Im starken Regen ging ich weiter bis Porcari. Den Ort durchquerte ich aber nur. Gegen Mittag war mein Tagesziel Altopascio erreicht. Den Schlüssel für die Herberge bekomme man in der Bücherei, sagte das Schild an der Kirche. Als die Bücherei öffnete, wurde mir der Schlüssel ausgehändigt.
Wegverlauf: Lucca – Porcari – Altopascio (rund 16 einfache Kilometer)

Via Francigena

Antopascio - Bereits 952 verfügte der Ort über ein Pilgerhospiz

22. Oktober 2009 – San Miniato
Das Paar aus Alaska

Am frühen Morgen regnete es noch immer. Der Weg führte heute über altes römisches Pflaster. Galleno durchquerte ich im Regen. Hinter dem Ort sah ich (mit Regenkleidung verhangen) zwei Pilger. Ich ging etwas schneller und holte sie schließlich ein. Es waren Mark und Conny aus Anchoriche, Alaska. Sie waren bereits den ganzen Weg von Canterbury gepilgert. Gegen Mittag lichtete sich der Himmel. In einem Café an der Ponte A Cappiano machten wir gemeinsam Mittagspause. Sie zeigten mir ihre Stempel vom Canterbury und ihre bisherigen Bilder. In Frankreich sei der Weg nur sehr selten markiert, meinten sie. Da sie aber erfahrene Wanderer seinen, haben sie sich schon zurecht gefunden.

Wir gingen den restlichen Tag gemeinsam. Der Aufstieg nach San Miniato war anstrengend, aber auch sehr schön. Die Beiden hatten sich ein Hotel reserviert.

Ich wollte im Kloster schlafen. Im Convento San Francisco hatte ich mir ein Zimmer reserviert. Wir verabredeten uns zum gemeinsamen Abendessen um unsere Pilgererfahrungen auszutauschen. Sie waren sehr an meinen Berichten von Spanien interessiert. Schließlich wollten sie auch noch den Camino Francés pilgern. Am Abend war noch die Messe in Kloster.
Wegverlauf: Altopascio – Ponte A Cappiano – Focecchio – San Miniato Alto (rund 22 mittelschwere Kilometer)

Via FrancigenaRömerpflaster vor San Miniato

23. Oktober 2009 – Gambassi Terme
Schlammschlacht und die Tankstelle

Es hatte die ganze Nacht geregnet und am Morgen war das Wetter kaum besser geworden. Schon auf den ersten Kilometern traf ich das Paar aus Alaska wieder, was sich gleich als äußerst nützlich herausstellte. Wind, Regen oder Jugendliche hatten einen VF-Pfeil in die falsche Richtung gedreht. Marc und Conny gingen mit JPS, so dass wir nach wenigen Metern die falsche Richtung merkten. Ich wäre ohne die Beiden sicherlich zwei Kilometer extra gelaufen.

Der Regen wurde nicht weniger. Die Paar aus Alaska wollten in Coiano eine längere Pause machen, so dass ich alleine weiterging. Es folgte ein schlammiger Hügel, der nur mit Hilfe der Stöcke erklommen werden konnte. Ich glaube, ohne die „Best-Friends-Stöcke“ hätte man diesen Tag nicht meistern können. Am frühen Nachmittag machte ich eine Pause in einem verlassenen Gehöft.

Immerhin hörte jetzt die Schlammschlacht auf. Die letzten Kilometer waren auf asphaltierter Straße zu gehen und die Sonne kam heraus. Meine Trekkinghose war bis zu den Knien verschmutzt. Am Ortseingang stieß ich auf eine Tankstelle mit SB-Waschanlage. Mit dem Hochdruckreiniger säuberte ich die Hose, um nicht im Hotel als „Landstreicher“ einchecken zu müssen. Ich nahm mir ein schönes Hotel und im Zimmer hatte ich die Möglichkeit, meine ganze Kleidung zu waschen und über der Heizung zu trocknen.
Wegverlauf: San Miniato Alto – Coiano – Gambassi Terme (rund 25 mittelschwere Kilometer)

Via FrancigenaGambassi Terme

24. Oktober 2009 – San Gimignano
Geschlechtertürme

Ich stand ein wenig später auf. An diesem Tag waren nur 14 Kilometer zu bewältigen. Dies war auch gut so, da San Gimignano wohl ein erneuter Höhepunkt der Reise war. Als ich aus meinem Hotelzimmer ging, traf ich im Gang das Paar aus Alaska. Sie hatten im gleichen Hotel übernachtet. Wir gingen noch in den nahegelegenen Supermarkt um Proviant für den Tag zu kaufen. Hinter der Theke stand ein Verkäufer mit Bundeswehrhemd. Er erklärte mir, dass er dieses Hemd irgendwo billig gekauft habe, aber schon Italiener sei. Er schenkte mir ein ganzes Brot. Ich nahm es aus Freundlichkeit an, obwohl ich es unmöglich mitnehmen konnte. Jeder schnitt sich ein paar Scheiben ab. Den  Rest des Brotes mussten wir verschenken.

Bereits vom Hotel aus hatte man einen Blick auf des „New York des Mittelalters“. Es folgte wunderschöne toskanische Landschaft. Gegen 11 h war San Gimignano erreicht.

Hier im Ort fühlte man sich nicht wie ein Pilger, sondern wie ein Toskana-Tourist. Es war Wochenende und ein Reisebus nach dem anderen fiel in den Ort ein. Der erste Weg führte uns zur Touristeninformation. Conny und Marc reservierten sich ein Hotelzimmer.

Ich versuchte es im Kloster. Die Nonne nahm mich sehr freundlich auf, kontrollierte meinen Pilgerausweis und zeigte mir das Zimmer.

Nach den üblichen Tagesritualen war ich fertig für die Stadtbesichtigung. San Gimignano hat den Beinamen „New York", oder auch "Manhattan" des Mittelalters. Sieht man sich die Skyline an, so erklärt sich der Name von selbst.

Der Pilger ist von Natur aus etwas bescheiden im Lebensstil. Doch die meisten Menschen sind eben anders. So bauten die Familien ihre Türme hoch in den Himmel, denn schließlich wollte jeder der Größte sein. Unzweckmäßig, dafür aber hoch, war damals das Motto.
Wegverlauf: Gambassi Terme – San Gimignano (rund 14 einfache Kilometer)

Via FrancigenaDer Weg nach San Gimignano

Via Francigena"Manhattan des Mittelalters"

25. Oktober 2009 – Monteriggioni
Hospitalera Maria

Es ging am frühen Morgen in San Gimignano los. Man hatte noch einmal einen wunderbaren Blick auf das Manhattan des Mittelalters. Entgegen der Beschreibung im Reiseführer ging ich über Colle di Val d’Elsa. Ich verzichtete aber auf eine größere Stadtbesichtigung. Der Wegverlauf hinter der Stadt war für mich nicht zu erkennen, also fragte ich mich durch.

Jetzt waren noch rund zwei Stunden nach Monteriggioni auf der Hauptstraße zu laufen. Mitten im Ort gab es ein Pilgerhaus. Obwohl es eigentlich erst am Nachmittag öffnete, stand die Tür auf. Ich ging hinein und wurde sofort als „Pellegrino“ begrüßt. Am Tisch saßen vier Frauen beim Essen. Mir wurden sofort Spaghetti angeboten. Eine davon war Maria die Hospitalera! – Die anderen Frauen erzählten, dass sie gerade den Weg neu markieren.

Ich bekam ein Zimmer und einen Schlüssel. Es war noch genug Zeit um den Ort zu besichtigen. Man kann auf die Stadtmauer gehen und hat dort einen wunderbaren Rundblick. Es waren auch deutsche Touristen im Ort. Es war immer wieder schön zu erzählen, dass man Fußpilger auf den Weg nach Rom sei.

Am frühen Nachmittag trafen auch die beiden Amerikaner ein. Für sie war hier alles wie ein Märchen. Am Abend wurden wir von Maria mit einem hervorragenden Pilgermenü bekocht.
Wegverlauf: San Gimignano – Colle di Val d’Elsa - Monteriggioni (rund 20 einfache Kilometer)

Via FrancigenaMonteriggioni - Der Ort mit seiner Steinmauer und 14 Türmen

26. Oktober 2009 – Siena
Abschied von Alaska

Maria verabschiedete uns herzlich. Wir wollten heute nur das kurze Stück bis Siena gehen. Für die Stadt braucht man viel Zeit.

So wanderten wir die wenigen Kilometer nach Siena und die Amerikaner erzählten mir viel über Alaska. Am Piazza il Campo setzen wir uns in ein Café. Diesen Platz kannte ich aus dem Film „Der Brummbär“ mit Adriano Celentano. Überall in der Stadt kann man die Fahnen der einzelnen Stadtteile kaufen, die im Pferderennen gegeneinander antreten.

Die Beiden wollten für drei Tage in der Stadt bleiben, so dass wir uns jetzt verabschieden mussten. Hier an der Piazza erreichen die Preise fast das Niveau von Venedig.

Ich machte noch eine kleine Tour durch Siena und natürlich besichtigte ich auch den schwarz-weiß-gesteiften Dom.

Am frühen Abend ging ich zum Kloster um ein Bett zu bekommen. Ich war der einzige Pilger im Kloster, das acht einfache Betten für die Wallfahrer hatte. Gegen 9 Uhr bin ich wohl eingeschlafen. Nach kurzem Schlaf wurde ich mit dem Wort „Abendessen“ geweckt. Ein freiwilliger Helfer, der gerade deutsch lernte, ging mit mir in den Speisesaal. Man erzählte mir, dass sie hier im Kloster Suchtkranke betreuen. Ich bekam ein ordentliches Abendessen.
Wegverlauf: Monteriggione – Siena (rund 20 einfache Kilometer)

Via FrancigenaSiena - Piazza il Campo

Via Francigena Mit dem Bau des Doms aus schwarzem und weißem Marmor wurde im 13. Jahrhundert begonnen.

27. Oktober 2009 - Ponte d’Arbia
Das alte Haus

Wieder allein unterwegs ging es zum Gutshof Grancia Fortificata in Cuna. Hier soll es eine Kirche mit einem Fresko des Hühnerwunders von Santo Domingo de la Calzada geben.

Leider war die Kirche nicht geöffnet. Daher ging ich gleich weiter nach Monteroni d’Arbia und Quirciano. Von hier an wandert man entlang des Bahngleises nach Ponte d’Arbia. Ich folgte der Wegmarkierung und erreichte, fast schon am Ende des Ortes, ein Haus mit einem Schild "Zimmer". Ich läutete und eine ältere Frau öffnete die Tür mit den Worten: „Der Schlüssel liegt unter der Fußmatte“. Sie deutete auf das Haus gegenüber.

Im Pilgerhaus wurde gerade gearbeitet. Das Haus nennt sich „Centro Culturale Mons Cresti“ – So einfach wie das Haus außen aussah, so liebevoll wurde doch im Inneren an eine ansprechenden Einrichtung gebaut. Ich nahm mir ein Bett, stempelte meinen Pilgerausweis und gab eine Spende in die Opferbüchse.
Wegverlauf: Siena – Isola d’Arbia - Ponte d’Arbia (rund 27 einfache Kilometer)

Via FrancigenaDie Via Francigena hinter Siena

28. Oktober 2009 – San Quirico d'Orcia
Der Pfarrer auf der Straße

Der Weg führte mich heute erst nach Buenconvento. Die Stadt war noch nicht so richtig zum Leben erwacht. Jetzt folgte die gefährliche Strecke nach San Quiorico. Der Pilger muss sich wieder einmal den Platz mit den Autos und LKWs teilen. Es soll eine bessere Stecke geben, doch ich konnte diese nicht finden.

Ich kam am frühen Nachmittag in San Quirico d'Orcai an. Die Touristeninformation hatte seit Mitte Oktober geschlossen. Auf der Straße war ein einziger Herr. Ich fragte, ob er wisse, wo man als Pilger schlafen könne. Die Antwort war überraschend: „Ich bin hier der Pfarrer und hier ist auch die Herberge."  Ich musste nur ein wenig warten bis mir eine Schwester den Schlafsaal aufschloss.
Wegverlauf: Ponte d’Arbia – Buenconvento – Torrenieri – San Quirico d’Orcia (rund 26 einfache Kilometer)

Via Francigena
San Qirico d'Orca - Collegiata-Kirche

29. Oktober 2009 – Radicofani
Der letzte Berg

Der Tagesmarsch begann mit einem Aufstieg zum Ort Vignoni Alta. Hier fühlte man sich so richtig ins Mittelalter zurückversetzt. Was ich auf den Reisen immer so schätze, sind diese mittelalterlichen Wege. Total aus der Zeit gerissen, geht man wie vor Jahrhunderten seinem Ziel entgegen.

Die VF verläuft nun teils auf der Hauptstraße, teils auf Feldwegen und schließlich auf einer unbefahrenen Straße weiter. Man hatte einen schönen Blick auf romantische Bergdörfer.

Mein Tagesziel Radicofani war schon von Weitem zu sehen. Es folgte aber noch ein sehr langer, jedoch schöner Aufstieg. Schließlich erreichte ich den historischen Stadtkern. Alles war wie immer während der Siesta ausgestorben. Eine einzige Frau war auf der Straße und fragte, ob ich in der Pilgerherberge übernachten wolle. Sie habe den Schlüssel.

Ich ging ins Hotel, da im Reiseführer die Herberge als sehr einfach und ohne Heizung beschrieben wurde. Die Nächte waren inzwischen sehr kalt.
Wegverlauf: San Quirico d’Orcia – Vignoni Alta – Podere Ricorsi – Radicofani (32 härtere Kilometer)

Via FrancigenaRadicofani

30. Oktober 2009 – Acquapendente
Hotel statt Herberge

Über Serpentinen ging es durch Traumlandschaft nach Ponte a Rigo. Hier steht für Pilger ein Wohn-Container zur Verfügung! Gleich hinter dem kleinen Ort ist das Ende der Toskana erreicht, jetzt war ich im Latium.

Bereits am frühen Nachmittag kam ich in Acquapendente an. Die Pilgerherberge neben der Kirche Santa Caterina war gleich gefunden. An der Tür hang ein Zettel mit einer Telefonnummer. Ich wollte niemanden aus dem Mittagsschlaft wecken und machte daher zuerst eine Tour durch die Stadt.

Es war gerade Markt. Ich besichtigte - wie immer - die historische Innenstadt und die Kirchen. In einer kleinen Gaststätte aß ich etwas. Sie hatten auch eine Übernachtungsmöglichkeit für mich, so dass ich nicht zur Herberge zurück ging.

Mir war inzwischen klar, dass sich meine lange Pilgerschaft dem Ende näherte. Es waren nur noch gute 100 Kilometer zum Ziel.
Wegverlauf: Radicofani - Ponte a Rigo – Acquapendente (rund 23 mittelschwere Kilometer)

Via FrancigenaDie Via Francigena hinter Acquapendente

31. Oktober 2009 – Bolsena
Halloween

Der Tag führte mich zuerst nach San Lorenzo Nuovo. Es war Markt und ich kaufte mir ein paar Kleinigkeiten. Meine Nase vernahm einen Geruch von Wasser. Gleich hinter dem Ort tauchte der Bolsena See auf. Die VF führt durch alte Gassen ins Zentrum.

Ich ging zunächst ins Kloster um mir eine Übernachtungsmöglichkeit zu sichern. Die schwer gesicherte Klosterpforte wurde mir geöffnet und ich bekam Einlass. Die Schwester meinte erst, dass ich aber noch nicht weit gepilgert sei. Ich entgegnete ihr, sie solle einmal die andere Seite meines Pilgerausweises ansehen, der sei bis auf den letzen Platz mit Stempeln voll.

Im Pilgerbuch las ich von zwei deutschen Pilgern (Ich traf sie später in Rom), die wohl einen Tag vor mir hier waren. Hauptattraktion ist die Chiesa Santa Cristina mit der Grotte, die ich am Nachmittag besuchte.

Am Abend füllte sich ganz Bolsena mit Halloween-Verehrern. Es war die Nacht zum 1. November. Ich zog mich am frühen Abend ins Kloster zurück, froh darüber, bei diesem Unsinn nicht mitmachen zu müssen.
Wegverlauf: Acquapendente – San Lorenzo Nuovo – Bolsena (rund 21 einfache Kilometer)

Via Francigena
Bolsena

1. November 2009 – Viterbo
Schüsse – Grüße aus der Heimat – 70 Pilger

Am frühen Morgen hatte ich das Kloster verlassen. Es war Feiertag. Man hörte überall Schüsse. Die Männer hatten frei und vergnügten sich bei der Jagd. Der Weg führte durch Wälder und kleine Schluchten. An einer Stelle standen zwei Jäger mit einem Fiat Panda. Sie luden gerade ihre Ausrüstung aus. Sie sagten, ich solle vorsichtig sein, da heute viel geschossen werde. Ich antwortete, dass ich als Pilger wohl unter einem besonderen Stern gehe und es werde schon JEMAND auf mich aufpassen. Natürlich war ich wesentlich nervöser als ich es mir anmerken ließ. Nach einigen Metern verließen mich auch noch die Wegmarkierungen. Ich musste einen Bach durchqueren. Überall waren wieder Schüsse zu hören. Am Ufer ging ich schnell bergauf und fand wieder meinen Weg. Es tauchten die ersten Pflaster der historischen Römerstraße auf. Gegen Mittag war Montefiascone erreicht.

Montefiascone ist die Partnergemeinde von Ergoldsbach, dem Ort in Niederbayern, in dem ich aufgewachsen bin. Leider war Feiertag und niemand in der Gemeindeverwaltung anwesend. Ich hätte gerne diesen besonderen Stempel bekommen wollen. Hinter Montefiascone ging es mehrere Kilometer auf der alten Römerstraße weiter.

Ich hatte seit Tagen keine Pilger mehr gesehen. Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich rund 70 Personen mit leichtem Rucksack auf. Sie saßen auf einem Feld, tranken Wein und machten Picknick. Als ich an ihnen vorbeikam, wurde ich sofort angehalten. Ich sagte, dass ich aus Deutschland komme und nahezu kein Italienisch spreche. Wie so üblich auf der ganzen Pilgerschaft nach Rom war das auch hier kein Problem. Eine aus der Gruppe war Deutschlehrerin, eine andere war aus Düsseldorf und hatte vor vielen Jahren nach Italien geheiratet. Ich wurde sofort zum Essen und Trinken eingeladen. Ich erzählte von all meinen Pilgerreisen.

Die Leute aus der Gruppe waren keine Langstreckenpilger, sondern eine Wandergruppe, die vier Tage in Begleitung auf der VF pilgerte. Ich ging rund zehn Kilometer mit ihnen. Die Düsseldorferin erzählte aus ihrem Leben und wie sie nach Italien kam. Durch die Unterhaltung verging die Zeit und die Strecke nach Viterbo wie im Flug. Bei den Thermalquellen verabschiedeten wir uns. Die beiden Führer der Gruppe fragten, ob sie mir noch irgendwie helfen könnten. Ich meinte, dass ich jetzt so weit mit Deutsch, Englisch, Spanisch, Glück, Zufall und ein paar Worten Italienisch gekommen sei, dass ich wohl auch noch in Rom ankommen werde!

Ich erreichte die Stadtmauer von Viterbo. Als ich durch das Tor ins Zentrum ging, sah ich gleich ein Hotel. Ohne groß zu zögern sollte es meine Pilgerherberge für die Nacht werden.
Wegverlauf: Bolsena – Montefiascone – Viterbo (rund 37 mittelschwere Kilometer)

Via Francigena
Montefiascone - Partnerstadt von Ergoldsbach

Via FrancigenaViele Pilger auf der Via Francigena

2. November 2009 – Capranica
Luxus-B&B

Hinter Viterbo wählte ich den kürzen, aber gefährlicheren Weg durch die Schlucht. Am Himmel sah man schon das nahende Unwetter. Ich suchte in ganz Capranica nach einer Pension, konnte aber keine finden. In meinem Reiseführer hieß es, dass sich zwei Kilometer außerhalb eine B&B befände. Diese war wohl meine letzte Rettung, denn bis Sutri kam ich wohl diesen Tag nicht mehr. Leider hieß es aber auch, dass diese nur bis Mitte Oktober geöffnet sei. Dort angekommen, bimmelte ich an der Tür und mir wurde geöffnet. Zufällig war der Inhaber zu Hause. Ich bekam ein ganzes Haus für mich. Das Ganze auf sehr hohem Niveau und zum bezahlbaren Preis.

Gerade angekommen, setzte härtester Platzregen ein. Die ganze Nacht tobete ein Unwetter der schlimmsten Art. Ich machte es mir in meinem warmen Haus bequem. Es war an der Zeit, dass ich mich auf die Ankunft in Rom vorbreitete. Ich kontrollierte meine Stempel und begann mir Gedanken über die Rückfahrt zu machen.

Wie wird der Fußpilger in Rom empfangen???
In Santiago treffen täglich Fußpilgermassen ein – Hier bin ich vielleicht der einzige??? In ein bis zwei Tagen werde ich die Antwort bekommen….
Wegverlauf: Kurzer Weg von Viterbo nach Capranica mit rund 22 Kilometern

Via Francigena Surtri

3. November 2009 – Campangnano di Roma
Das 16-60-Euro-Hotel

In der B&B bekam ich ein super Frühstück. Der Eigentümer erzählte mir noch, dass sein Vater lange Zeit im Vatikan gearbeitet habe. Dadurch hatte er natürlich Verständnis für Pilger.

Sutri war schnell erreicht und gleich hinter dem Ort führt die VF am Amphitheater vorbei. Ich ging ohne Pause bis Monteosi, einem kleinen Ort mit netter Kirche. Jetzt folgte der unangenehme Teil der Tagesetappe. Es ging mehrere Kilometer entlang einer vierspurigen Schnellstraße. Doch auch das kann den Rompilger nicht mehr stören - nach ein paar Kilometern ging es auf schönen Wegen weiter.

Es folgte ein letzter Anstieg zum Ort Campagnano di Roma. Hier an diesem Aufstieg hat man einen Brunnen und einen Rastplatz angelegt. Leider wird er als Müllhalde missbraucht. Ich dachte nach, wie viele Fernseher, Autoreifen und Kühlschränke wohl auf der gesamten VF herumliegen würden?

Im Ort angekommen, ging ich erst einmal in den Supermarkt um Proviant zu kaufen. Ein Hotel stand gleich am Ortseingang. Der Hotelangestellte gab mir zwei Mal zu verstehen, dass das Zimmer SIXTY und nicht SIXTEEN Euro kostet. Ich nickte freundlich und erzählte, dass ich schon Geld bei mir habe. Ich sei nur Fußpilger und reise freiwillig ohne Auto auf der antiken Via Francigena. Er meinte, dass er noch nie etwas von dieser Straße gehört habe. Er ließ sich aber die Einzelheiten genau erklären.
Wegverlauf: Sutri – Monterosi – Settevene – Campagnano di Roma (relativ einfache 23 km)

Via FrancigenaCampangnono di Roma - Rathaus

4. November 2009 – Rom
Ende einer langen Reise – Fußwaschen

Wie in allen Reiseführern erwähnt, muss man sich auf dem Weg nach Rom auf ständiges Gebell von Wachhunden einstellen. Nahezu jedes Haus hat ein paar scharfe Hunde. Ich dachte inzwischen, die Hunde bellen vermutlich nur, wissen aber insgeheim, dass ich kein Landstreicher, sonder Pilger sei. So ging ich fröhlich an meinen vierbeinigen Freunden vorbei. Die VF führt vor Rom durch ein sehr edles Villenviertel. Plötzlich waren vier scharfe Hunde auf der Straße und wollten mich auf gar keinen Fall verbeilassen. Ich brüllte sie energisch an, nutzte meine „TWO BEST FRIENDS“ um sie von mir fernzuhalten. Alles umsonst! - Einer packte meine Trekkinghose und zerriss sie. Irgendwann wurde es den Hunden zu blöd und sie verschwanden. Die Lehre hieraus: „Rom ist erst nach 1.100 Kilometern erreicht.“ Ich ging die letzten 25 Kilometer daher mit besonderer Vorsicht!

Exakt gegen Mittag war ich am geplanten letzten Zwischenstopp in La Strota.
Wegverlauf: Campagnano di Roma – Formello – La Strota (rund 19 Kilometer)

Ich wollte, meine Pilgerschaft einen Tag früher als geplant "ins Ziel zu bringen". Es stelle sich ein Glücksgefühl ein und ich wollte unbedingt ankommen. Fast im Laufschritt zog es mich in Richtung Zentrum. Hinauf zum Monte Mario, wo man einen herrlichen Blick auf die Stadt hat. Leider ist der Petersdom hier noch nicht zu sehen. Ich ging weiter und schließlich über Treppen hinab in die Stadt. Ohne Karte, nur so nach Gefühl, stand ich plötzlich vor der Mauer des Kirchenstaates.
Wegverlauf: La Strota – Rom (rund 16 Kilometer)

Hier traf ich sofort auf eine große Gruppe von Touristen. Im Gegensatz zu Santiago war ich hier der einzige Fußpilger. Ich machte einen flüchtigen Blick auf den Petersplatz und ging dann zum deutschen Pilgerbüro. Man gab mir den letzten Stempel und die Adresse des Klosters mit der Herberge der Jakobusbruderschaft (Confraternita de San Jacopo di Composela). Fußpilger dürfen dort zwei Nächte kostenlos (man erwartete eine Spende) nächtigen. Leider liegt das Kloster fünf Kilometer außerhalb. Ich benutzte daher den Bus für diese letzten Kilometer.

Im Kloster wurde mein Pilgerausweis kontrolliert. Die Leiterin erzählte mir, dass morgen zwei weitere deutsche Pilger eintreffen werden - Steffi und Ralf. 43 Tage ohne einen deutschen Pilger, dann im Kloster gleich zwei! Sie wolle mit der traditionellen Fußwäsche warten, bis die beiden Deutschen eingetroffen seien. Es wurde eine ruhige Nacht.

Am nächsten Tag ging ich in den Vatikan um meine „Romcompostela - „TESTIMONIUM PEREGRINATIONIS PERACTAE AD LIMINA PETRI“ zu erhalten. Ich ging durch die Sicherheitsschleusen. Leider war an diesem Tag ein großer internationaler Empfang, so dass man mir sagte, ich solle doch bitte am Nachmittag nochmal kommen. Ich besichtigte den Dom und stieg zur Kuppel hinauf.

Am Nachmittag musste ich wieder durch die Sicherheitsschleusen. Es war eine lange Menschenschlange, die hier im Dom Messen zahlen wollten. Ich fragte einen der Aufseher, ob ich mich hier auch anstellen müsse. Als er meinen Pilgerausweis sah, führte er mich gleich an der Schlage vorbei nach vorne. Leider war an diesem Tag der zuständige Mönch nicht im Haus. So bekam ich nur die einfachere Ausführung der Urkunde ausgehändigt.

Glücklich mit meiner Urkunde ging ich zurück ins Kloster. Inzwischen waren auch die beiden Deutschen eingetroffen. Sie waren nur 150 Kilometer gepilgert, die Mindestanforderung der VF für die „Romcompostela“. Wir wurden nach unseren Essenswünschen gefragt. Diese wurden dann für uns zubereitet. Jedem von uns wurde vorher ein Fuß gewaschen, anschließend gab es das fürstliche Essen. Die beiden Deutschen waren natürlich sehr an meinem Erlebnis „Via Francigena“ interessiert.

Am nächsten Tag ging es für mich sehr früh zum Bahnhof. Ich wählte bewusst den Zug und nicht das Flugzeug. Es sollte ein langsamer Abschied von Rom werden. Es war eine Reise, die ich wohl nie vergessen werden!

Via Francigena

Ohne Worte  -  Rom, wie es jeder kennt!

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Wegmarkierungen

Via Francigena

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