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Pilgern auf der Via Podiensis - Erlebnisbericht von Ruth R.

Der circa achthundert Kilometer lange Jakobsweg von Le Puy bis Saint Jean Pied-de-Port, die Via Podiensis, war und ist für mich persönlich die schönste aller Pilgerstrecken. In Deutschland, Frankreich und Spanien bin ich bisher noch keinen Weg gelaufen, der Landschaftlich schöner und abwechslungsreicher wäre, als dieser Teil.

Via Podiensis, Jakobsweg Frankreich

Allein der Start in Le Puy ist etwas Besonderes. Die Vulkankegel, auf denen die riesige Marienstatue und eine Kirche liegen bestimmen das Stadtbild. Die Kathedrale selbst hatte mich weniger beeindruckt, als ihre Lage. Über zahlreiche Stufen, die letztendlich bis mitten in die Kirche führen, gelangte ich zum Hauptportal. Von dort hat man eine eindrucksvolle Aussicht über die Stadt und die unzähligen Touristen, Pilger und Einheimischen in den Straßen.

Vor- und Nachteil dieses Startpunkts: Aufgrund seiner geographischen Lage im französischen Zentralmassiv beginnt die Pilgerreise auf der Via Podiensis in Le Puy mit einigen Auf- und Abstiegen, die es in sich haben. Genau diese Auf- und Abstiege bieten aber im Gegenzug auch die unvergesslichsten Aussichten. Das vulkanische Velay, die Schluchten des Flusses Allier, die umwerfende weitläufige Region des Aubrac und schließlich die Region der Midi-Pyrénées überraschten mich fast täglich mit neuen faszinierenden Ausblicken und Sehenswürdigkeiten.

Dieser naturbelassene Pilgerweg sorgt dafür, dass man trotz den körperlichen Anforderungen des täglichen Pilgerns jeden Abend spürt, wie erholsam diese Kulisse auf Körper und Geist wirkt. Jedes Mal, wenn ich dachte, es sei unmöglich, dass dieser Weg noch schöner werde, wurde ich eines Besseren belehrt. Und wenn man allein mit Flora und Fauna dieser Strecke schon Bücher füllen könnte, wären es wohl ganze Buchbände in Hinblick auf die Geschichte und Kultur dieser Gegend. Die Via Podiensis ist voller mittelalterlicher Städtchen und Städte, Kathedralen und Kirchen, mit den dazugehörigen Geschichten und Legenden. Ich bekam das Gefühl, wirklich ein Stück historischen Pilgerweg zu laufen. Auch wenn die Strecke schon ungefähr einen Monat in Anspruch nimmt, hatte ich doch das Gefühl, noch viel zu wenig Zeit zu haben, um alle interessanten Orte zu besichtigen und die ganze Vielfalt dieser Regionen in mich aufnehmen zu können.
Zuhause hörte ich vorab viele Vorurteile über „die“ Franzosen. Sie seien den Deutschen gegenüber zurückhaltend, manchmal sogar feindselig und generell eher arrogant und verschlossen. Was mir während meiner Reise begegnete, war das absolute Gegenteil. Egal ob Mitpilger, Herbergswirt oder Einheimischer – alle behandelten mich außerordentlich höflich, hilfsbereit und waren sehr aufgeschlossen!

Die Mitpilger auf der Via Podiensis waren größtenteils älter als ich und ein ums andere Mal wurde ich überrascht, als ich (als nicht unsportliche 25-jährige) immer wieder von Rentnern (teils sogar über 75, wie sich bei späteren Gesprächen herausstellte!) überholt wurde. Der Altersunterschied und auch die verschiedenen Nationalitäten der Pilger stellen auf diesem Weg absolut kein Hindernis dar. Während man im normalen Alltag mit manchen Leuten kaum ins Gespräch kommen würde, hatte man hier direkt etwas gemeinsam, tauschte sich aus und lernte sich kennen. Ich stellte fest, dass vor allem die französischen Pilger sehr gerne mit mir über die Unterschiede in Politik und Kultur zwischen Frankreich und Deutschland redeten. Ganze Abende konnten wir mit Gesprächen über französische Küche, ihre Streikkultur und Vorurteile gegenüber Pariser Bürger, über deutsches Bier, Brot, Disziplin und Bürokratie füllen. Aber immer auf einer freundschaftlichen, respektvollen Weise.

Die Via Podiensis ist ohne Frage ein körperlich anspruchsvoller Weg, zumindest in den ersten Tagen. Aber dafür erlebt man eine einmalige Landschaft, sowohl in der Natur als auch in den Städten. Und vor diesem Hintergrund auch noch so viele herzliche, aufgeschlossene und humorvolle Menschen zu treffen ist kaum noch zu überbieten. Für mich war es die erlebnisreichste, schönste, erholsamste und vielseitigste Strecke, die ich von allen Jakobswegen gelaufen bin. Und wer erst einmal in Saint Jean Pied-de-Port steht, wird mit Sicherheit wiederkommen um weiter zu pilgern.

Ruth R.

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