logo wandern.de
Banner
- Werbung -

Erlebnisbericht über eine Pilgerreise auf dem Küstenweg/Camino del Norte von Hubertus E.

Weniger als 10% aller Pilger wählen den Camino del Norte, der jedoch auch gut beschrieben und infrastrukturell gut ausgerüstet ist. Zum Glück konnten wir uns einen Reiseführer von einer Mitpilgerin ausleihen, die ihren Weg an dieser Stelle beenden musste. Auch auf diesem Weg bietet der Reiseführer in erster Linie Hinweise zur Planung der Tagesetappen und zur Wahl der Übernachtungsmöglichkeit.

Camino del Norte, Camino de la Costa

 

Die Routen selbst sind meistens gut markiert und können in der Regel auch ohne Beschreibung gefunden werden.

küstenwegIn der Innenstadt von Santander - ©Hubertus Eunicke

Die spanische Nordküste ist eine Steilküste, die in der Regel 100 – 200 m zum Meer hin abfällt. Badestrände gibt es in wenigen Städten (u.a. Santander, Gijon), der Rest der Küste besteht aus schroffen Klippen, in die an einigen Stellen Pfade eingelassen sind, auf denen man dann in eine Bucht kommt, die einem in der Regel mehr oder minder allein gehört. Die Küste ist touristisch nahezu unerschlossen und wird fast ausschließlich von Spaniern zur „Recreation“ genutzt.

küstenweg camino de la costa

An der Küste - ©Hubertus Eunicke

Gleich neben dem Küstenweg erhebt sich ein Mittelgebirge, das Kantabrische Gebirge, auf dessen höchsten Gipfeln im Juni noch Schnee lag und das als Wetterscheide zum zentralspanischen Tafelland wirkt. Die „Costa Verde“ ist nicht vom heißen und trockenen Klima in Zentral- und Südspanien bestimmt, sondern hat ozeanisches Klima. Wir sahen an vielen Tagen von Zentralspanien herkommende dichte Wolken, die jedoch kurz vor der Küste Halt machten, so dass wir in der Regel Sonnenschein und eine leichte Brise vom Meer hatten – ideales Wetter zum Wandern, aber auch zum Pilgern hier auf dem Camino del Norte.

Kantabrien

küstenweg

©Hubertus Eunicke

Zur Römerzeit leistete der Stamm der Kantabrier offenbar so nachhaltig Widerstand, dass er – nach seiner endgültigen Niederwerfung im Jahr 19 v. Chr. – im Unterschied zu allen umliegenden Stämmen vollständig und offenbar „nachhaltig“ romanisiert wurde. Unterschiede zum restlichen Spanien sind in Kantabrien also weniger auszumachen als in den umliegenden Provinzen. Die Hauptstadt der heutigen Autonomen Gemeinschaft und gleichnamigen Provinz ist die Hafen- und Industriestadt Santander, Ausgangspunkt unseres Pilgerweges durch Kantabrien.

Asturien

Die Autonome Gemeinschaft Asturien hatte während der Reconquista erhebliche Bedeutung als Rückzugsgebiet, so dass der spanische Thronnachfolger immer noch den Titel „Prinz von Asturien“ trägt.

Die an einigen Standorten konzentrierte Schwerindustrie ist seit Jahrzehnten in einer schweren Strukturkrise, die reale Arbeitslosigkeit beträgt über 30% und liegt bei Jugendlichen noch (weit) höher (spanienweit bei 40%). Die Provinz ist überwiegend landwirtschaftlich geprägt; Asturien ist die Milchkammer Spaniens. Wir haben viele landwirtschaftliche Betriebe gesehen, die uns an unsere Herkunftsregion (den Westerwald) vor 50 Jahren erinnern: zwei oder drei Kühe grasen vor einem aus Feldsteinen errichteten Haus, die Milch wird oft noch in Kannen vor der Tür für die Molkereifahrzeuge bereitgestellt. Landesweit hat ein durchschnittlicher Milchviehbetrieb 10 bis 15 Milchkühe, Großbetriebe haben wir nur selten gesehen, die Topografie ist insgesamt zu hügelig hierfür.

camino del norteEin typischer Maisspeicher - ©Hubertus Eunicke

Eine Besonderheit stellen die traditionellen „Hórreos“ dar, in denen Getreide, Obst und Mais gelagert werden. Als Schutz gegen Nagetiere werden diese Speicher auf waagerechten Steinplatten errichtet, die auf Säulen stehen. Die meisten dieser eigenwilligen Gebäude dienen auch heute noch ihrer ursprünglichen Funktion, einige werden derzeit auch als Wohnraum umgebaut. Fast jedes Haus in den Dörfern verfügt über einen eigenen Hórreo.eukalyptuspfad©Hubertus Eunicke

Viele Dörfer (wegen der lange geltenden Realteilung eher Streusiedlungen) wirkten völlig verlassen. Wir hatten uns nach einigen Tagen so sehr daran gewöhnt, dass auf den Straßen und in den immer umzäunten Gärten fast nie jemand zu sehen war, dass wir – entgegen unserer üblicherweise eher zu kontaktfreudigen Art – ganz erschrocken waren, als in einer Ortschaft eine Frau mit einem Hund an der Leine auf uns zuging, um uns frisches Wasser anzubieten. Sie wusste, was auf uns auf den nächsten Kilometern zukam und hatte offenbar, als sie uns sah, gekühltes Wasser in eine Plastikflasche gefüllt, die sie uns mitgeben wollte. Wir hatten lange Zeit Gelegenheit, unsere hilflose Zurückhaltung zu bereuen, denn es wurde ziemlich warm an diesem Tag und die wenigen Brunnen auf diesem Abschnitt des Camino del Norte erweckten nicht immer den Eindruck, dass der Durst schon groß genug sei…

Durch einen Eukalyptuswald

Der Wald in Asturien riecht oft nach frisch eingecremten Radlerbeinen. Die vorherrschenden Monokulturen mit Eukalyptusbäumen sorgen mit ihrem schnellen Wachstum zwar für gute Erträge und hochwertiges Holz, verdrängen aber alle anderenBaumarten und laugen den Waldboden aus. Viele Bäume sehen mit ihren herabhängenden Rinden aus wie Fahnen, die auf Halbmast gesetzt sind. Wahrscheinlich trauern sie der Schönheit der Mischwälder nach, die sie vorher verdrängt haben.

herberge

Vor einer der Herbergen - ©Hubertus Eunicke

Galicien

Ein Geheimtipp, der kein Geheimtipp bleiben sollte
„Kind, das kostet ein Vermögen!“ – „Nein, Papa, hier gibt es ein Pilgermenü für neun Euro!“

In der Regel bin ich nicht froh, dass ich zum Lesen eine Brille brauche; in diesem Moment spart uns das Suchen und Aufsetzen der Sehhilfe eine Auseinandersetzung. „Tatsächlich, du hast recht“, muss ich zugeben, auch wenn ich der Karte nicht ganz traue – in einem solchen historischen Gemäuer ein Dreigang-Menü inklusive Wein für neun Euro…

Das „Restaurante Galicia“ gehört Juan Corral Castro und liegt in der Carretera de La Coruña, 22 in Baamonde (Lugo). Viele Einrichtungsgegenstände stammen aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts; auch Juan Corral Castro sieht aus, als wäre er gerade dem letzten deutschen Kaiser begegnet. (Er versichert jedoch, 1936 geboren zu sein.)

Während ein Mitglied der Familie uns das Essen zubereitet, das noch tagelang Gesprächsthema sein wird und uns mit der spanischen Küche endgültig aussöhnt, gibt uns Juan (Galizisch: Xoan) Corral eine Probe seines dichterischen Könnens:

Cando nacin en Galicia
Chamabanme neno rico
Como ia a ser pobre
Nacendo nun paraiso

Auf dem Weg … - ©Hubertus Eunicke

In jüngeren Jahren haben sein Bruder, ein leidenschaftlicher Holzschnitzer, und er sich zusammengetan, um eine Zierkastanie zu retten, die in unmittelbarer Nähe des Restaurants heute noch steht (und zu besichtigen ist). Der Stamm war offenbar durch einen Blitzschlag aufgerissen und innen so weit hohl, dass 2 Erwachsene mühelos hineinpassen. monument

©Hubertus Eunicke

Nach Ansicht der Kommune stellte dieser Baum eine Gefährdung für die Wegesicherheit dar und sollte gefällt werden. Xoan Corral besang die Schönheit dieses Baumes in einigen Gedichten, während sein Bruder in das Innere eine Madonnenszene schnitzte. Nach Vollendung ließ er seine Arbeit (mit vollem Recht) zum Kunstwerk erklären – eine Madonna fällt im katholischen Spanien keiner Säge zum Opfer. So freuen sich die Familie und pilgernde Gäste noch heute an dem mächtigen Kastanienbaum und lassen sich die Zeit zwischen Vorspeise und kulinarischem Hauptgang verkürzen.

Vier Nachspeisen gab es zur Auswahl; die ersten drei waren mir bekannt, die letzte trug einen Namen, der eher einem ganzen Satz glich: ich bestellte diese Köstlichkeit und blieb auch bei meiner Bestellung, als unser Wirt die umständliche Bezeichnung dieser Nachspeise noch einmal mit deutlich fragendem Unterton wiederholte.

Als der Wirt schließlich mit dieser „literarischen“ Köstlichkeit bei mir erschien, war mir klar, dass ich meinen Mitmenschen wieder reichlich Anlass zu großer Fröhlichkeit gegeben hatte.

Wenn Sie also bei der Bestellung eines Desserts mit einem langen Namen vom Wirt fragend angesehen werden und wenn Sie Grund haben zu der Annahme, dass dieser Wirt es gut mit Ihnen meint – zögern Sie nicht, Ihre Bestellung noch einmal zu verändern, es sei denn, Sie möchten einmal in Ihrem Leben das besondere Erlebnis haben, eine geschlossene Banane auf einem Teller mit einem Serviermesser dabei zum Nachtisch serviert zu bekommen.

Aber alles in Allem: ein wunderbares Essen in einem wunderbaren Ambiente, garniert mit ländlicher Poesie –ein allseitiges Genusserlebnis und unbedingt zu empfehlen!

Für den Schutz einer in Spanien bedrohten Minderheit

Spanien ist beim Fleischverbrauch Spitzenreiter in der EU (1). – Meine Tochter ist Vegetarierin.
Diese Konstellation wurde am dritten Tag unserer Pilgerreise auf dem Camino del Norte zu einem ernsteren Problem. In Bars und Restaurants bekommt man gelegentlich das Gefühl, nicht nur das (spanische) Wort „Vegetariana“ noch einmal erklären zu müssen, sondern damit auch Anlass zu Fragen nach dem sonstigen Gesundheitszustand hervorzurufen.

In der ersten Bar (2) wollte man des Problems offenbar Herr werden: „Vegetariana – kein Problem. Wir machen was für Sie!“ – Es gab Spiegeleier mit (fettigen) Pommes.

Am nächsten Abend das gleiche Spiel: - es gab Spiegeleier mit (fettigen) Pommes.

Am dritten Abend fragten wir vorbeugend, ob es für Vegetarier etwas anderes als Spiegeleier und Pommes gäbe – unser Gegenüber hatte etwas Mühe, sein Minenspiel wieder in den Griff zu bekommen.

Natürlich sind die letzten Zeilen in ihrer Polemik eher ein Ausdruck unserer anfänglichen Irritation. Im Laufe der Zeit haben wir wunderbare (3) vegetarische Gerichte gefunden; meine Tochter ist zwar nicht zu einer leidenschaftlichen Verehrerin der spanischen Küche geworden, aber verhungern musste sie nicht.

apostel jacobusAm Ziel unserer Reise: In der Mitte der Apostel Jacobus ©Hubertus Eunicke

Der Verfasser dieses Berichtes steht für weitere Auskünfte und als Begleiter gern zur Verfügung:

Hubertus Eunicke, Pädagoge M.A.

Unsere Wanderfavoriten

Special: Auf dem Jakobsweg pilgern
Pilgern Jakobsweg von A - Z
Fragen zu Ihrer Pilgerreise: Wie plane ich meine An- und Abreise für den Jakobsweg? Was für eine Bekleidung sollte ich bei meiner Pilgerwanderung mitnehmen? Welchen Camino soll ich für meine Pilgerreise wählen? uvm. ...
Special: Auf dem Jakobsweg pilgern
Mit dem Pilgerstab auf dem Jakobsweg
Pilgerstab auf dem Jakobsweg- Auf fast allen Darstellungen von Pilgern, seien sie historisch oder modern, kann man ihn sehen - den Pilgerstab. Doch was hat es damit auf sich?
Special: Auf dem Jakobsweg pilgern
Der Pilgerpass
Wichtig ist der Pilgerpass für alle, die ihn in Santiago de Compostela erhalten möchten.
Wandern.de Newsletter abonnieren
Kontaktzeile für Ausdrucke